Radfahren ist gesund! Warum?
Interview mit Prof. Dr. Klaus Völker: Seniorprofessor und Lehrbeauftragter an der WWU Münster im Fachbereich Psychologie und Sportwissenschaft.
Egal ob jung oder alt, jeder kennt das belebende Gefühl, draußen an der frischen Luft Fahrrad zu fahren. Doch warum ist das für Körper und Geist so gesund? Prof. Völker befasst sich vor allem mit der Präventivwirkung von Sport im Zusammenhang mit verschiedenen Krankheitsbildern. Im Jahr 2015 wurde er mit der Sportplakette des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet. Im Interview erklärt der Sportmediziner, wieso das Radfahren so gesund ist, warum sich der Umstieg vom Auto aufs Rad richtig lohnen kann und dass Pedelecs oder E-Bikes oft besser sind als ihr Ruf.
Herr Dr. Völker, Sie befassen sich schon lange mit den Effekten, die Radfahren auf die Gesundheit hat. Was genau ist denn gesund am Radeln?
Das Radfahren zählt zu den klassischen Ausdauersportarten, genauso wie Schwimmen und Laufen. Auf dem Rad profitiert man von einer besonders gesunden Art der Belastung: auch Menschen mit wenig Kraft, geringer Ausdauer oder Einschränkungen wie zum Beispiel einer Herzinsuffizienz, können auf dem Rad schonend trainieren. Abgesehen davon, schüttet der Körper durch körperliche Aktivitäten Dopamin, Serotonin und Endorphin aus, die sogenannten Glückshormone, die den Kopf frei machen und für ein positives Gefühl sorgen.
Wie lange muss man als gesunder Mensch in die Pedale treten, um einen merklichen Trainingseffekt zu erzielen?
Um einen Trainingseffekt zu erzielen, muss der Körper Kalorien verbrennen. Damit die Fettverbrennung anläuft und das Immunsystem angeregt wird, braucht es in aller Regel mindestens zehn Minuten auf dem Rad. Dann ist der gesamte Organismus so richtig hochgefahren. Es ist also gar nicht nötig, gleich ein oder zwei Stunden Rad zu fahren, messbare Effekte setzen schon viel früher ein.
Das heißt, auch wenn ich nur kurze Strecken fahre, tue ich etwas für meine Gesundheit?
Genau. Hier liegt aus meiner Sicht ein entscheidender Vorteil des Radfahrens, denn man trainiert quasi nebenbei, ohne es wirklich zu merken. Hierzu haben wir vor einigen Jahren eine spannende Studie mit Studierenden aus Münster durchgeführt: Für einen gesunden Lebensstil sollte man in der Woche zwischen 1.600 und 2.000 Kalorien verbrennen. Wir haben bei den Studierenden nachgemessen: Schon durch das ganz normale, gemütliche Radeln von der Wohnung zur Uni, das Pendeln zwischen den Hörsälen im Stadtgebiet und das Zurückfahren am Abend, haben die Probanden im Schnitt 1.200 Kalorien, also bereits zwei Drittel des nötigen Werts, ganz nebenbei verbrannt. Und zwar ohne, dass einer von ihnen dabei auch nur an Sport gedacht hätte!
Unter Ihrer Leitung sind zahlreiche Studien entstanden, die sich mit den Auswirkungen des Radfahrens auf die Gesundheit befassen. Gibt es einen Aspekt, der das Radfahren von ähnlichen Ausdauersportarten wie Schwimmen oder Joggen unterscheidet?
Ein interessanter Aspekt beim Radfahren ist das sogenannte Nullpedalieren. Kurz gesagt: wer draußen Fahrrad fährt, ist nicht die ganze Zeit über aktiv. Auf dem Rad gibt es immer wieder Phasen, in denen man einfach rollt oder abbremst, zum Beispiel in Kurven oder vor Ampeln. Wir konnten herausfinden, dass diese passiven Phasen dreißig bis vierzig Prozent der gesamten Zeit auf dem Rad ausmachen. Das gilt es natürlich zu berücksichtigen, wenn man Trainingseffekte zwischen verschiedenen Sportarten vergleichen will: eine halbe Stunde Joggen bedeutet eine halbe Stunde Joggen, aber bei einer halben Stunde auf dem Rad wird nicht dreißig Minuten lang in die Pedale getreten. Ein dem 30 Minuten Joggen vergleichbarer Trainingseffekt wird erst bei 45 min Radfahren erreicht.
Immer mehr Menschen sind mittlerweile auf E-Bikes unterwegs. Wäre es nicht sinnvoller, sofern es die Gesundheit zulässt, auf die Unterstützung des elektrischen Antriebs zu verzichten und stattdessen auf einem „normalen“ Fahrrad zu fahren?
Noch vor ein paar Jahren hätte ich das genauso unterschrieben. Aber meine Ansicht zu E-Bikes hat sich mittlerweile geändert. Aus meiner Sicht bieten Räder mit elektrischer Unterstützung zwei entscheidende Vorteile: Zum einen erweitern sie den Radius, der mit dem Rad erkundet und befahren werden kann, immens und zum anderen fallen in Gruppen, in denen Menschen gemeinsam fahren, Leistungsunterschiede dank E-Bikes einfach weg. Wer weniger Kraft und Ausdauer hat, fährt dann mit Unterstützung, wer sportlicher unterwegs ist, ohne. So muss niemand auf den anderen warten oder sich abgehängt fühlen.
Bringt das Radfahren auch im Alter bestimmte Vorteile?
Absolut. Radfahren klappt nämlich auch mit orthopädischen Handicaps, zum Beispiel Hüft- oder Knieproblemen noch gut, viel besser als etwa Joggen. Und auch für Menschen, die zu viel Gewicht mit sich herumschleppen, ist Radfahren eine gute Option, gerade hier im Münsterland, wo das Gelände eben ist.
Sich öfter aufs Rad zu schwingen, wirkt sich also auch schon bei kurzen Strecken positiv auf die eigene Gesundheit aus. Gibt es aus Ihrer Sicht sonst noch Argumente, die fürs Rad sprechen?
In einer fahrradfreundlichen Stadt wie Münster sitzen viele von uns in ihrem Alltag ja sowieso oft automatisch auf dem Rad, einfach, um von A nach B zu kommen. Aus meiner Sicht lohnt es sich aber, das Auto auch bei etwas längeren Strecken bewusst stehen zu lassen: Zum einen natürlich, um den Ausstoß von noch mehr CO2 zu verhindern, zum anderen bietet sich einem auf dem Rad ein ganz anderes Naturerlebnis. Und der zusätzliche Zeitaufwand im Vergleich zum Auto ist oft viel geringer als befürchtet. Moderne Helferchen, Apps wie zum Beispiel Komoot oder Outdoor Active, machen außerdem das Erkunden neuer Strecken mit dem Rad sehr komfortabel.
Prof. Dr. Klaus Völker zwischen 1997 und 2014 Direktor des Instituts für Sportmedizin des UKM und ist z.Z. als Seniorprofessor Lehrbeauftragter an der WWU im Fachbereich Psychologie und Sportwissenschaft. Völker war zwischen 2003 und 2014 Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention und befasst sich vor allem mit der Präventivwirkung von Sport im Zusammenhang mit verschiedenen Krankheitsbildern. Im Jahr 2015 wurde er mit der Sportplakette des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet.